CDU Stadtverband Schwetzingen

„Mensch beginnt nicht beim Akademiker“

: CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach bekennt sich zur Industrienation und weiß, dass eine Energiewende nicht ohne Kohle- und Gaskraftwerke funktioniert

Fesselte die Zuhörer im Welde-Saal des "Blauen Lochs": Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, weilte auf Einladung der hiesigen CDU in der Stadt.
 Das Motto "Politik hautnah" darf man an diesem Abend wirklich ernst nehmen. Der Johann-Welde-Saal im "Blauen Loch" platzt aus allen Nähten. Viele stehen, der Rest sitzt fast aufeinander. So nah kommen sich sonst noch nicht einmal Parteikollegen. Die Luft ist heiß und schwer. Schweißperlen treiben den Gästen auf die Stirn. Immer noch mehr Stühle, immer noch mehr Menschen. Das "Blaue Loch" wird zur Sardinenbüchse. Doch um ihn, um Wolfgang Bosbach, zu hören, würden die Bürger und Getreuen der Union wohl noch viel mehr bereitwillig auf sich nehmen.

Er ist gekommen, um Olav Gutting den Rücken zu stärken. Zwei Stunden später wird feststehen, dass Gutting eine bessere Wahlkampfwerbung nicht hätte kriegen können. Doch so weit sind wir noch nicht. Viel wird über Bosbach gesprochen, da ist er noch gar nicht da. Wie lang wird er wohl sprechen? Was werden seine Themen sein?

"Politiker mit Rückgrat"

Und dann kommt er herein, ganz unvermittelt, völlig unspektakulär - wie aus dem Nichts. Ein kleines Winken, das zugewandte Bosbach-Lächeln und schon brandet Jubel auf, als sei die Wahl bereits gewonnen. Wenige Minuten vorher hatte uns der Fraktionsvorsitzende der Schwetzinger CDU, Andreas Muth, noch gesagt: "Er ist einer der wenigen großen Politiker mit Rückgrat. Menschen wie Wolfgang Bosbach können auch die erreichen, die andere längst als Verdrossene abgeschrieben haben." In diesem Augenblick ist Muths Statement nur eines: pure Wahrheit. Der Enthusiasmus ist greifbar, alles hängt an seinen Lippen.

Dann geht es los. Wolfgang Bosbach könnte sitzen, aber er steht auf und will seinen Zuhörern in die Augen schauen. Seine Worte sollen den Menschen gelten, und jedem von ihnen persönlich. "Politik muss nicht den Charakter verderben", das ist ihm wichtig. Einmal tief Luft holen, die Stimmung ist zum Zerreißen gespannt. Ein Beginn bei seinen Eltern und dem Trümmer-Deutschland nach dem Krieg. Er nimmt den ganz großen Bogen. Von der einstigen Sorge nach dem Morgen hin zur stabilen Demokratie - "und mit der dürfen wir nicht nur zufrieden sein, wir können stolz auf sie sein." Der Stein kommt ins Rollen. Eine Rede voller Eifer und Optimismus nimmt Fahrt auf. Jeder einzelne Satz entspringt nur dem Augenblick und kommt doch so tiefgründig reflektiert daher, dass es eine helle Freude ist, ihm zu lauschen.

Frei spricht Bosbach heraus und meint, was er sagt, wenn er betont, wie gut es Deutschland heute geht. Dass so viele Menschen wie nie seit der Wiedervereinigung Arbeit haben und die Sozialkassen prall gefüllt sind. Keine Pathetik, keine Ironie - Aufrichtigkeit spricht aus dem 61-Jährigen.

Dabei dürfte auch ihm das Deutschland von Heute reichlich übertechnisiert vorkommen. Ihm, der zu Hause sein musste, als es dunkel wurde. Der auf Steine kickte, statt auf Fußbälle. Der als Teenie kein Internet und kein Handy hatte - der "einfach nicht zu orten" war. Noch nicht einmal von der NSA. Es wirkt ein bisschen so, als würde sich Bosbach wieder in seine Jugendzeit zurückwünschen.

Sätze, scharf wie Messer

Doch diese Melancholie wirkt nur kurz. Schon ist er wieder da, der Klartexter, der Aufrüttler Bosbach. Die Klammer schließt sich und dann kommen sie, diese Sätze, die so scharf sind, wie Messer: "Der Mensch beginnt für mich nicht beim Akademiker." Jede Silbe atmet den Geist der Wahrhaftigkeit. Denn sie kommen von jenem Innenpolitiker, der ganz genau weiß, dass die Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft wird - und trotzdem dazu steht, dass das nicht nur gut sein kann. Weil Bosbach neben den smartphoneverliebten Gesichtern der jungen Generation eben auch die Menschen nicht vergessen hat, "die jeden Tag um sechs auf den Wecker hauen und den ganzen Tag für uns malochen."

Man wird den Eindruck nicht los: Da spricht einer, der im politischen Betrieb zum lebenden Anachronismus geworden ist. Der sich klar zur Industrienation Deutschland bekennt, mehr junge Menschen in Ausbildung sehen will, weiß, dass eine saubere Energiewende ohne Kohle- und Gaskraftwerke nicht zu bekommen ist und den folgenden Generationen keinen unendlichen Schuldenberg durch endlose Hilfskredite für Krisenstaaten aufbürden will. Und der das auch sagt. Unverblümt, kristallklar und so, dass ihn jeder versteht.

Worte erreichen die Herzen

"Es ist doch keiner intellektuell, weil er furchtbar komplex formulieren kann. Ich kann keine Ahnung haben und das wunderbar kompliziert ausdrücken. Umgekehrt habe ich doch auch kein schlichtes Gemüt, weil ich Dinge klar zum Ausdruck bringe." Am Ende bleibt da dieser Mann, der den Menschen nicht nach dem Mund redet, ihnen auch die harten Wahrheiten zumutet und für eine offene Streitkultur in der CDU kämpft. Dass man sich gerade deshalb an seiner Rhetorik schneiden kann, ist keine Frage. Doch in Schwetzingen haben seine Worte die Herzen erreicht, wie sonst nur Amors Pfeil. Sie sind gekommen, um zu bleiben.